meine schönheitsnormen sind zum kotzen – mein leistungsdruck verletzt mich selbst – ich bin keine gute feministin

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TRIGGERWARNUNG
themen des textes sind u.a. körperunzufriedenheit, internalisierte selbstverachtung, selbstverletzung, essen, erbrechen.

aus der perspektive einer weißen, in deutschland als cis-frau sozialisierten person, abled-bodied und mit uni abschluss

sorry that i don’t manage to write this text in english. if anybody likes to translate, feel free to do so.

danke an den*die verfasser*in des cosy cold kitchen talks beitrags „Once Upon A Time – Body, Shut Up.“ – du hast mich inspiriert, mich mit dem thema stärke/stark sein im zusammenhang mit dem eigenen körper auseinanderzusetzen.
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statt an der zerstörung der welt dort draussen mitzuwirken, habe ich mich heute mal wieder meiner eigenen zerstörung gewidmet. statt mich mit freund*innen zu verbünden und für die vernichtung von körpernormen zu kämpfen, hab ich ein paar tafeln schokolade vernichtet. sie danach ausgekotzt, einsam und allein. ich hab heut keine bank entglast, sondern mir mit den trümmern meines spiegelbilds meine eigene hülle aufgeschnitten. kein auto angezündet, sondern meine misslungenen schreibversuche verbrannt, weil ich sie hässlich fand wie mein gesicht.

und dann das fressen immer das fressen immer wieder und wieder immer
fressen kotzen und nicht in den spiegel schauen
doch in den spiegel schauen
mein gegenüber zertrümmern
scherben in haut säure im mund

ideal und wirklichkeit. meine wirklichkeit gebiert sich selbst, sie entspringt dem widerspruch zwischen wollen und handeln. ich wollte heute holz machen, ich wollte unser haus verteidigen und ich wollte nazis angreifen. aber heute hab ich gekocht, den abwasch gemacht und den typen kaffee gebracht. ich war nicht stark genug zu fragen, wie man kettensägen schärft. wie man barris schweißt und ob wir vor dem angriff eine emorunde machen können. ich wollte nicht schwach sein. aber vor allem wollte ich eins nicht: kotzen.

oft genug bin ich nicht stark genug.
nicht stark genug, den kontrollettis in der ubahn das leben schwer zu machen. mich mit betroffenen rassistischer kontrollen zu solidarisieren oder bullen anzupöbeln. mich der allgegenwärtigen unterdrückung zu widersetzen. die geregelten abläufe eines normierten alltags zu stören.

und dass ich nie genug sein kann
nie genug
nie
genug

auch mich selbst hat der alltag fest im griff. jeder tag ein vorwärtsstolpern durch eine welt die wackelt wie pudding unter den füssen. haltsuchend stürze ich, stütze mich auf eine kloschüssel.
jeden tag dieser druck, mir selbst nicht nachzugeben. denn draußen bin ich feministin. und drinnen? versinke ich in hass auf, ekel vor und mitleid mit mir selbst. du arme kotzende kartoffel.

sie wissen nichts von dem inneren druck wie es reisst wie es zerrt wie ich nicht mehr sprechen kann ohne zu weinen wie ich in den wald gehe zum kotzen zum   schreien wie ich nachts auf autobahnbrücken sitzt sie wissen es nicht sie können  es nicht wissen brauchen es nicht wissen es macht keinen sinn menschen wissen zu lassen dass es nach jedem essen all die energie braucht um es nicht wieder rauszukotzen wenn sie es wüssten ich wollte die blicke nicht ertragen ich wollte nie mehr zusammen essen es ist so schon anstrengend genug

ein erklärungsansatz für depression ist, dass keine priorisierung von optionen mehr vorgenommen werden kann, d.h. dass sich verschiedene, oft entgegengesetzte entscheidungsmöglichkeiten gegenseitig aushebeln und die handlungsfähigkeit dadurch lahmlegen. wenn ich also etwas will, meine kraft aber nur noch für etwas ausreicht, das ich zwar kann, aber nicht möchte, führt es oft dazu, dass ich irgendwann gar nichts mehr kann, selbst das nicht, was ich in meiner rolle als cis-frau von klein auf erlernt habe. dann liege ich nur noch nutzlos herum, unbrauchbar. dann bin ich ein nichts in der leistungsgesellschaft tief in mir drinnen.

lass sie doch denken du liegst faul in der sonne weil du keine lust hast mitzuhelfen sie können nicht wissen wie viel arbeit es für dich ist jeden tag zu schaffen und dann den abend und dann noch die nacht jeden morgen zu schaffen und bis zum abend aushalten und den abend schaffen und bis zum morgen aushalten und wie gerne würdest du einfach funktionieren wie gerne würdest du einfach mithelfen wie alle anderen und stattdessen liegst du wie gelähmt und versuchst dich zu fangen und in deinem kopf ein erdnagel der dich am boden befestigt.

manchmal klicke ich in tor auf “neue identität” und während sich der browser neu öffnet, bin ich für einen moment diese zwiebel, die sich nur kurz häuten muss, um all die narben loszuwerden, all die zuschreibungen und mein spiegelbild, das ich so hasse.
aber damit wäre es nicht getan. kein neues außen kann mich über mein innen hinwegtäuschen.
es fällt (mir) schwer, das einzusehen, aber die (schönheits)normen und der leistungsdruck sind längst teil meiner identität. wie soll ich sie bekämpfen, ohne mich selbst zu bekämpfen?

zusammen-bruch wäre schön.
einsam bin ich lieber allein.